Als eine der ältesten und facettenreichsten Kulturlandschaften Deutschlands hat Sachsen seinen Gästen eine Menge zu bieten: Die mit zahlreichen barocken Juwelen gesegnete königliche Residenzstadt Dresden, die traditionsreiche Messemetropole Leipzig, die Porzellan-Hochburg Meißen und reizvolle Renaissance-Städte wie Görlitz, Pirna oder Torgau erfreuen sich ebenso wachsender Beliebtheit wie die majestätischen Felsformationen der Sächsischen Schweiz oder die vielseitige Welterbe-Region Erzgebirge.

Handwerkstraditionen wie die erzgebirgische Holzkunst und Spielzeugfertigung, das kunstvolle Porzellan aus Meißen, handgefertigte Musikinstrumente aus dem vogtländischen Klingenthal oder Erzeugnisse hoher Webkunst aus der Oberlausitz genießen weit über die Landesgrenzen hinaus hohe Wertschätzung und haben ihre Ursprünge oft schon im Mittelalter. Weniger bekannt und durchaus ein Geheimtipp sind jene Stätten in vielen Teilen Sachsens, die von der reichen und überaus spannenden Industriekultur des Landes künden. Unter dem Motto „Boom! 500 Jahre Industriekultur in Sachsen“ lenkt die 4. Sächsische Landesausstellung den Fokus auf die atemberaubende Entwicklung, die den Südwesten des heutigen Freistaates zu einem der ersten und wichtigsten Zentren europäischer Industrialisierung werden ließ.

Von den ersten Silberfunden zum modernen Sachsen

Die Zentralausstellung in Zwickau sowie weitere sechs branchenspezifische Schauplatzausstellungen zeigen auf lebendige Weise, wie die Industriekultur als Motor in der sächsischen Geschichte Land und Menschen über Jahrhunderte geprägt hat. Allein in der Zentralausstellung lassen rund 600 wertvolle historische Objekte, hochkarätige Kunstwerke, technische Geräte, Fotografien, Filme und spektakuläre Medieninstallationen die Besucher anhand spannend zugespitzter Kapitel wie „Barock & Berggeschrey“, „Garn & Globalisierung“, „Karl Marx und Karl May“, „Schockensöhne & Sachsenstolz“ und „Trabi & Treuhand“ Boom-Phasen wie Tiefpunkte der industriellen Entwicklung Sachsens nachvollziehen.

Die Zentralausstellung in Zwickau verdeutlicht u. a. die wesentlichen Impulse, mit denen der Bergbau im Mittelalter eine beispiellose Boomphase einleitete.
©Ralph Köhler/ pro pictures

Als eines der spektakulärsten Exponate und zugleich Sinnbild für sächsische Innovationskraft und Kunstfertigkeit dürfte u. a. eine 1893 auf der Weltausstellung in Chicago ausgestellte Dampfmaschine in einer Nussschale die Gäste staunen lassen. Der Rundgang durch die Ausstellung endet mit dem Thema „Industriekultur 2020“ und einem Blick auf das Sachsen von Morgen.

Nicht von ungefähr präsentiert die Zentralausstellung den Streifzug durch die Industriegeschichte Sachsens im AUDI Bau im Norden Zwickaus. Die einstige Montagehalle der Auto Union AG aus dem Jahr 1938 symbolisiert gleichsam ein Stück Automobilbautradition einer Region, in der die ersten Modelle von Weltmarken wie Horch, Audi, DKW und Wanderer bis hin zum legendären DDR-Kultauto Trabant vom Band liefen.

Prachtstücke sächsischer Automobilbaukunst

Dem sächsischen „AutoBoom“ widmet sich im Zwickauer August Horch-Museum auch eine der sechs Schauplatzausstellungen. Liebevolle Oldtimer-Inszenierungen lassen dabei das Flair vergangener Zeiten aufleben.

Das Zwickauer August Horch Museum versetzt die Besucher u. a. in die Automobilwelt der 1930er Jahre.
© August Horch Museum Zwickau, Foto: Holger Stein

Die Besucher durchqueren drei Zeittunnel und erfahren dabei u. a., wie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts Dampf-, Elektro- und Verbrennungsmotor ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, wie sich letzterer in der Produktion letztlich durchsetzen konnte, was Sachsen heute als einer der Top-Automobilstandorte in Deutschland auszeichnet und wie visionäre Zukunftsideen die Notwendigkeit einer Mobilitätswende widerspiegeln. Wer möchte, kann das Zusammenwirken von Mensch und Maschine hautnah kennenlernen und mit Hilfe des kleinen kollaborativen Roboters „Cobot“ in einer Laserstation eine Aluplakette als Souvenir mit einer Gravur und tagesaktuellem Datum versehen lassen. Neben der Sonderausstellung AutoBoom versetzen in der Dauerschau des August Horch Museums rund 160 Fahrzeuge samt 70 Oldtimer der sächsischen Automobil-Marken die Autofans in Entzücken, darunter der älteste Audi sowie der erste vollwertige Kleinwagen DKW F1.

Das August Horch Museum liegt zudem auf dem „Weg zur Industriekultur“, der in Sachsens viertgrößter Stadt 18 historische Standorte mit beispielhafter industriekultureller Tradition verbindet. Darüber hinaus zeigen die Kunstsammlungen Zwickau Max-Pechstein-Museum eine Sonderausstellung zur Industriearchitektur in Sachsen. Als Besuchermagnet erweist sich auch die gelebte Industriekultur bei verschiedensten Events – von den alljährlichen Oldtimerausfahrten Schwanenklassik, Sachsen Classic und Horch-Klassik über das Internationale Trabantfahrertreffen bis zum Historischen Markttreiben, bei dem in der Zwickauer Innenstadt über 900 Jahre Stadtgeschichte lebendig werden.

Zeugnisse der traditionsreichen Fahrzeugindustrie Sachsens lassen sich an vielen Orten entdecken. Das Motorradmuseum auf Schloss Augustusburg gehört zu den bedeutendsten und umfangreichsten Zweiradsammlungen Europas.
© Motorradmuseum Schloss Augustusburg

Die stolze Tradition sächsischen Fahrzeugbaus lässt sich aber nicht nur in Zwickau nachvollziehen. Museen wie das in einer der ältesten erhaltenen Hochgaragen Deutschlands, den ehemaligen Stern-Garagen beheimatete Museum für Sächsische Fahrzeuge Chemnitz mit über 150 historischen Automobilen, Motor- und Fahrrädern, ebenso das Verkehrsmuseum Dresden, das Sächsische Nutzfahrzeugmuseum in Hartmannsdorf, das Textil- und Rennsportmuseum TRM in Hohenstein-Ernstthal sowie die Motorradsammlungen auf Schloss Wildeck und Schloss Augustusburg laden mit zahlreichen Oldtimer-Schätzen zu einer Zeitreise in die Vergangenheit der Mobilität ein.

Chemnitz macht Maschinenbautradition erlebbar

Die besondere Rolle der Region Chemnitz/Zwickau als bedeutendes Zentrum der Industriekultur in Sachsen spiegelt sich vor allem in der explosionsartigen Entwicklung von Chemnitz im 19. Jahrhundert wider. Textilindustrie sowie Maschinen- und Fahrzeugbau mit dem „Sächsischen Lokomotivkönig“ Richard Hartmann und Unternehmen wie Wanderer und Auto Union oder der Strumpffabrikanten-Dynastie Esche ließen die Stadt binnen gut 100 Jahren zu einer der reichsten Kommunen Deutschlands aufsteigen.

In einer heute denkmalgeschützten, imposanten einstigen Gießerei- und Maschinenhalle lädt das Sächsische Industriemuseum Chemnitz mit der Sonderausstellung „MaschinenBoom“ zu einer spannenden Reise auf den Spuren der sächsischen Maschinenbaukunst ein. Durch die Ausstellungshalle zieht sich ein langes silbernes Band, auf dem wie auf einem Laufsteg Highlights sächsischer Industrieproduktion – Automobile, Zweiräder, Textilien, Büromaschinen, Bergbauerzeugnisse und Werkzeugmaschinen bis hin zu einigen der neusten innovativen Produkte aus dem Freistaat – die Blicke der Besucher auf sich ziehen.

Funktionsfähige Exponate wie diese Dampfmaschine von 1896 versetzen die Besucher des Sächsischen Industriemuseums Chemnitz in die Frühphase des Maschinenbaus.
©Sächsisches Industriemuseum Chemnitz, Foto: Daniela Schleich, Archiv

Im Museum führt u. a. eine historische Transmissionswerkstatt aus dem frühen 20. Jahrhundert mehrmals täglich vor, wie vor rund 100 Jahren produziert wurde. Ein besonderes Schmuckstück der Dauerausstellung ist ein nach historischem Vorbild restaurierter Maschinensaal mit einer noch immer funktionsfähigen Einzylinder-Gegendruck-Dampfmaschine von 1896. Den lange Zeit wichtigsten Bereich der sächsischen Wirtschaft, die Textilindustrie, macht eine Auswahl zum Teil aus dem späten 19.Jahrhundert stammender, voll funktionsfähiger Textilmaschinen in Aktion erlebbar. Besucher können hier auch selbst experimentieren. Aus dem Fahrzeugbau bereichern Exponate der Marke DKW aus der einzigartigen Privatsammlung des Unternehmensgründers und Frontantrieb-Wegbereiters Jørgen Skafte Rasmussen die Schau des Industriemuseums Chemnitz.

Eintauchen in die Zeit der Dampfrösser

Eine weitere Schauplatzausstellung „EisenbahnBoom“ in Chemnitz-Hilbersdorf knüpft an das im Zuge der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts immer wichtiger werdende dichte Eisenbahnnetz an, das Chemnitz zum seinerzeit größten Rangierbahnhof Deutschlands werden ließ. Auf dem Areal von Europas größtem erhaltenen Dampflok-Bahnbetriebswerk mit zahlreichen Gleisen, zwei Rund-Heizhäusern, Werkstätten, Wasserkränen und zwei riesigen Drehscheiben lässt sich im heutigen Sächsischen Eisenbahnmuseum ein sehenswerter Fahrzeugpark an Dampf-, Diesel- und Elektrolokomotiven sowie historischen Personen- und Güterwagen bestaunen.

Eisenbahnmuseum Chemnitz

Im Sächsischen Eisenbahnmuseum Chemnitz lassen zahlreiche historische Lokomotiven verschiedenster Baureihen nicht nur die Herzen von Eisenbahnfans höherschlagen. © Sächsisches Eisenbahnmuseum Chemnitz, Foto: Johnny Ullmann

Unmittelbar daneben demonstriert das Technikmuseum mit einer einzigartigen Seilrangieranlage, wie früher das Teilen von Güterzügen ohne Lokomotive ablief. Auch wenn der erste Zug 1839 auf der damals längsten Fernbahnstrecke der Welt Leipzig-Dresden verkehrte und auch die erste funktionsfähige Lokomotive „Saxonia“ in Übigau bei Dresden gebaut wurde – ein Original-Nachbau ist heute im Dresdner Verkehrsmuseum zu bewundern – so avancierte seinerzeit dennoch Chemnitz zum Zentrum des deutschen Lokomotivbaus. Zwischen 1848 und 1929 lieferte die Sächsische Maschinenfabrik von Richard Hartmann rund 4700 Lokomotiven an Eisenbahngesellschaften in aller Welt – und das obwohl die Fabrik nie einen Bahnanschluss hatte und die Dampfrösser stets feierlich per Pferdefuhrwerk durch die Chemnitzer Innenstadt zum Bahnhof transportiert werden mussten.

Erlebnis Schmalspurbahn mehr als Touristenattraktion

Seine stolze Eisenbahntradition bewahrt Sachsen bis heute auf vielfältige Weise. Nirgendwo sonst in Deutschland findet sich ein so dichtes und vielseitiges Angebot an historischen Eisenbahnen. Allein die „Dampfbahn-Route Sachsen “ verbindet 68 Stationen zum Thema „Eisenbahn“ und zu artverwandten Themen. Fünf Schmalspurbahnen verkehren noch heute im täglichen Fahrplanbetrieb. So dampft z. B. die Lößnitzgrundbahn von Radebeul Ost vorbei an romantischen Weinbergen und durch die Teichlandschaft um Schloss Moritzburg bis zum Kulturbahnhof Radeburg. Im Erzgebirge schnaufen Fichtelberg-, Weißeritz- und Preßnitztalbahn durch verträumte Dörfer und idyllische Täler und im Zittauer Gebirge zuckelt die Zittauer Schmalspurbahn an bizarren Sandsteinformationen, schmucken Lausitzer Umgebindehäusern und stilvoll sanierten Bahnhöfen vorbei.

Fichtelbergbahn von Cranzahl

Die bis heute regelmäßig verkehrende Fichtelbergbahn von Cranzahl in Deutschlands höchstgelegene Stadt Oberwiesenthal gehört zu den beliebten Schmalspurbahnen in Sachsen.
© Tourismusverband Erzgebirge e.V./ Bernd März

An ausgewählten Wochenenden steht auch die Döllnitzbahn zwischen Oschatz, Mügeln und Glossen unter Dampf. Die Waldeisenbahn in Muskau in der Oberlausitz und die Museumsbahn Schönheide im Erzgebirge versprechen ebenfalls echte Dampfbahn-Erlebnisse. Eisenbahn-Nostalgiker kommen darüber hinaus in den Schmalspurmuseen in Radebeul Ost und Rittersgrün und im Eisenbahnmuseum Schwarzenberg auf ihre Kosten. Auch zahlreiche Events locken alljährlich Eisenbahnfreunde aus aller Welt nach Sachsen, so z. B. das Dresdner Dampfloktreffen, die Schmalspurbahnfestivals Lößnitzgrundbahn in Radebeul und Weißeritztalbahn in Freital, ferner „Historik Mobil“ in Zittau, das Bahnhofsfest Preßnitztalbahn, das Bahnhofsfest Mügeln oder das Heizhausfest im Eisenbahnmuseum Chemnitz.

In Chemnitz können sich die Besucher ferner auf speziellen Routen zu Fuß bzw. per Fahrrad oder Segway auf die Spuren der Industriekultur begeben. Ein reichhaltiges Erlebnisspektrum für Jung und Alt bieten außerdem die „Tage der Industriekultur“ mit kulturellen Veranstaltungen und Konzerten jeweils im September sowie die Chemnitzer Museumsnacht.

Weitere Tipps zu Schauplätzen der Industriekultur in Sachsen finden Sie in einem zweiten Beitrag.