Historische Parks und Gärten lassen uns Besucher in kleine Paradiese eintauchen. Die in üppiger Pracht blühenden und duftenden Oasen erfreuen die Sinne und schmeicheln der Seele. Mit besonderem Reichtum an paradiesischen Gärten und Parks ist Sachsen-Anhalt gesegnet. Aus über 1000 solcher Landschaftsparadiese zwischen Elbe, Harz und Saale haben Fachleute seit dem Jahr 2000 in einer einzigartigen Landesinitiative die 50 bedeutendsten und schönsten zum denkmalpflegerisch-touristischen Netzwerk „Gartenträume – Historische Parks in Sachsen-Anhalt“ zusammengefasst.
Die meisten von ihnen wurden in den vergangenen Jahren nach historischen Unterlagen liebevoll saniert bzw. wiederhergestellt. Von den fürstlichen Parkanlagen und Lustgärten des 17./18. Jahrhunderts über die „begehbaren Landschaftsgemälde“ des ausgehenden 18. und 19. Jahrhunderts bis zum Mix an Gartenstilen im 20. Jahrhundert erfreuen sich jährlich rund zwei Millionen Besucher an den idyllischen Gartenträumen. In diesem Jahr wollte die Gartenträume-Initiative anlässlich ihres 20-jährigen Jubiläums den Besuchern ein besonders reichhaltiges Programm an fantasievollen Garten- und Parkfesten, klassischen Konzert-Highlights, unterhaltsamen Schloss- und Parkführungen sowie anregenden Ausstellungen bieten. Infolge der Corona-Krise mussten leider viele Veranstaltungen abgesagt werden – die Natur aber lässt sich von einem grassierenden Virus zum Glück nicht beeindrucken. So sind nahezu alle historischen Parks und Gartenanlagen geöffnet. Entspannenden Ausflügen mit angemessenem Abstand zu anderen Flaneuren steht also nichts im Wege.
Den besten Überblick über den Park- und Gartenreichtum im gesamten Land bietet die Sonderausstellung „Leidenschaft für Schönheit – Gartenträume in Sachsen-Anhalt“ im Schloss Wernigerode (noch bis 20.09.2020). Sie erzählt anhand jeweils markanter, wertvoller und überraschender Objekte etwas über das Wesen und die Einzigartigkeit jeder Parkanlage. Zu ihren Höhepunkten gehört erstmalig seit langer Zeit gezeigtes Porzellan wie z. B. Goldtassen mit Wörlitz-Motiv oder auch die Meißner Palme. Als echte Rarität gilt auch die handgeschriebene Artenliste des botanisch herausragenden Brockengartens aus dem 19. Jahrhundert.
Landschafts- und Kulturgenuss von Welterbe-Rang
Unbestrittenes Highlight jeder Gartenträume-Reise ist zweifellos ein Besuch im seit 2000 zum UNESCO-Welterbe gehörenden Gartenreich Dessau-Wörlitz. Die sieben Parkanlagen in und um Dessau bilden mit ihren eingebetteten Schlössern und dem perfekten Einklang von Landschaft, Gartenkunst, Architektur und Bildender Kunst eine einzigartige Kulturlandschaft. Bunt blühende Wiesen, rauschende Wälder, duftende Blumenteppiche, anmutige Teiche, Seen und Flüsse machen Spaziergänge und Wanderungen zu einem unvergesslichen Landschaftserlebnis. Auch eine Gondelfahrt, eine Radtour oder ein Reitausflug im Gartenreich beschert den Besuchern nachhaltige Eindrücke.
Inspiriert von Reisen nach Italien, Holland und England schuf Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau ab 1764 mit den Wörlitzer Anlagen zum ersten Mal auf dem europäischen Kontinent einen Landschaftspark, wie man ihn bisher nur in England kannte – natürlich und traumhaft schön. Das von Beginn an frei zugängliche Gesamtkunstwerk vereinigte in bis dahin einmaliger Harmonie Gartengestaltung und Architektur und avancierte zum Reiseziel bedeutender Zeitgenossen des Fürsten sowie zum Vorbild für viele weitere Parkanlagen. Auch Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe schrieb im Mai 1778, er sei angesichts der Verbindung von Schönheit und Nützlichkeit “sehr gerührt, wie die Götter dem Fürsten erlaubt haben, einen Traum um sich herum zu schaffen“.
Inmitten der weitläufigen Parkanlagen spiegelt Schloss Wörlitz am deutlichsten den Einfluss der Kunsttheorien, die den Fürsten in Italien sehr beeindruckt hatten, wider. Das stolze Landhaus im englischen Stil enthält noch die originale Inneneinrichtung vom Ende des 18. Jahrhunderts und beherbergt heute kostbare antike Sammlungen sowie einige sehenswerte „chinesische“ Räume. Neben den Wörlitzer Anlagen gilt das Georgium in Dessau-Roßlau als kunsthistorisch bedeutendster Landschaftspark englischen Stils im gesamten Gartenreich. Er wurde von Prinz Johann Georg, dem jüngeren Bruder des Fürsten Franz geschaffen und veranschaulicht mit Schloss Georgium, Wallwitzburg, Elbpavillon, Rundtempel und Fremdenhaus eindrucksvoll das Prinzip des allmählichen Übergangs vom kunstvoll angelegten Landschaftsgarten in die natürliche Landschaft.
Als idyllischste der zwischen Dessau und Wörlitz gelegenen Anlagen begeistert heute das Luisium, seinerzeit klassizistischer Landsitz der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau, die Besucher. Das bezaubernde Landhaus gilt als Meisterwerk Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs und beeindruckt vor allem durch seine weitgehend original ausgestatteten kleinen Räume und Kabinette mit feinen Stuckdekorationen und Wandgemälden. Den Garten beleben neugotische und klassizistische Gebäude sowie Grotten, gebaute Ruinen und Skulpturen.
Ein unvergleichlicher Reiz geht ebenfalls in Dessau-Roßlau vom ländlichen Charme und der besonderen Anmut von Schloss und Schlossgarten Mosigkau aus. Als Sommerresidenz für die Prinzessin Anna Wilhelmine von Anhalt-Dessau erbaut, zählt die liebevoll als „kleines Sanssouci“ bezeichnete Anlage heute zu den letzten weitgehend erhaltenen Rokoko-Ensembles in Mitteldeutschland. Im Galeriesaal können die Besucher eine in Deutschland einmalige typisch barocke, lückenlose Hängung bedeutender Gemälde vor allem flämischer und holländischer Meister des 17. Jahrhunderts bewundern. Ein in Deutschland seltenes Beispiel für eine weitgehend niederländisch geprägte Barockanlage verkörpern Schloss und Schlossgarten Oranienbaum, einst Sommersitz von Henriette Catharina, Fürstin von Anhalt-Dessau und geborene Prinzessin von Oranien-Nassau. Der englisch-chinesische Garten gilt als der einzige erhaltene dieser Art in Deutschland. Im Schloss zählen Räume mit Delfter Porzellanfliesen und originalen Ledertapeten zu den besonderen Sehenswürdigkeiten.
Als Ausflugsziele im Gartenreich Dessau-Wörlitz locken außerdem der Kühnauer Landschaftspark mit Schloss und Schlossgarten Großkühnau sowie der Waldpark Sieglitzer Berg in Vockerode mit der wieder aufgebauten Solitude und zahlreichen Denkmalen und Kleinarchitekturen.
Erlebnisvielfalt vom Irrgarten bis zum Dichterparadies
Ein Riesenvergnügen verspricht rund zwanzig Kilometer südlich von Dessau der Mitte des 18. Jahrhunderts im Gutspark Altjeßnitz entstandene älteste und größte historische Irrgarten Deutschlands. Eingebettet in einen vier Hektar großen Landschaftspark stellen die engen Wege entlang zwei Meter hoher Hainbuchhecken die Besucher vor die amüsante Herausforderung, den richtigen Weg zur Mitte des Irrgartens zu finden.
Von Altjeßnitz ist es nur ein Katzensprung nach Halle/Saale. In der größten Stadt Sachsen-Anhalts, wo die Saale zwischen hohen Felswänden dahin strömt, erhebt sich stolz die Burg Giebichenstein über den Fluss. Am Ufer verzaubert die ruhige, verträumte Atmosphäre des malerischen Amtsgartens die Besucher. Er zählt zu den ältesten Gartenanlagen im Stadtgebiet, seine Entstehung reicht bis in die Barockzeit zurück. Die thematisch unterschiedlich gestalteten Terrassen bieten äußerst reizvolle Ausblicke ins Saaletal. Nur einen Steinwurf entfernt lädt der Reichardts Garten zum Flanieren ein. Als Privatgarten des Komponisten J. F. Reichardt Ende des 18. Jahrhunderts im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt, avancierte das Anwesen bald zum „Giebichensteiner Dichterparadies“: Berühmte Gäste wie Goethe und Novalis gingen hier spazieren und machten es als „Herberge der Romantik“ weithin bekannt. Vor über 300 Jahren entstand auch der heutige Botanische Garten der Universität Halle als erster seiner Art im damaligen Preußen. Neben teils historischen Schauhäusern sind heute verschiedene Freilandpflanzensammlungen mit rund 12.000 Pflanzenarten sehenswert.